Was Du mir sagst, das vergesse ich. Was Du mir zeigst, daran erinnere ich mich.

Wer sich von den beliebten Urlaubsorten der Nordküste die gut 1.000 Höhenmeter ins berühmteste Plateau der Insel hinaufschraubt, lernt spätestens nach der Durchfahrt durch die pittoresk gelegene Ortschaft Lákki die Bedeutung von Omalós kennen. Wie aus dem Nichts, plötzlich und unerwartet öffnet sich aus heiterem, weiß-blauem Himmel die brettlebene  Omalós Hochebene. Wie bei einigen kretischen Ortschaften z.B. Rodakino (Pfirsich), Pefki (Föhre) , Loutro (Bad) hat sich auch der Namensgeber der kreisrunden Ebene was gedacht. Omalós bedeutet schlichtweg eben und flach. Unter Kretaurlaubern scheint es zu einem Muss geworden zu sein, die Samaria-Schlucht zu durchwandern. Tausende von (Wander)lustigen drängeln sich täglich durch die zweitmeistbesuchte Schlucht Griechenlands, insbesondere in der Hochsaison wird es unangenehm voll. Wie wär’s mit einem Kontrastprogramm? Im Süden, unweit des beschaulichen Badeortes Myrtos, wartet die kleine, nicht zu verachtende Schwester auf Sie. Die „kleine“ Omalós  Ebene lässt das Herz eines jeden Wanderers höher schlagen. Natur und Du lautet das Motto beim Namensvetter. Ihre Wanderkompagnos sind im Naturschutzgebiet vornehmlich vierbeiniger Natur: blökende Grünpfleger hier, meckernde Ziegen dort. Apropos Ziegen: nach herummäckelnden Zicken, die ihren Instagram Mann anschreien, da dieser nicht in der Lage ist, ihren Cellulite Po gekonnt vor der Handykamera zu positionieren, sucht man hier zum Glück vergebens.

Mit Ausnahme der elf Stavraki Brüder, die sich seit Generationen als Hüter der Herde verstehen, trifft man im weiten und breiten Plateau auf keine Menschenseele. Geia sou file, welcome to the land of milk and honey! Mit einem Händedruck der Marke Schraubzwinge empfängt uns Jorgo, mit 17 Jahren das jüngste Mitglied des Hirtenclans.
Nur die Natur tut Großes umsonst und lass das Essen Deine Medizin sein und die Medizin Deine Nahrung, philosophiert der Junghirte, während er mit stolz geschwellter Brust auf den gedeckten, wackligen Tisch zeigt. Während das Lamm noch traditionell in der Kochgrube gart, genießen wir vom Bauernsalat mit selbstgemachtem Feta bis zu den mit Korinthen gefüllten Zucchiniblüten ehrliche, selbstgemachte Kost. Gestatten Sie mir, die Hauptspeise (Kleftiko) mit etwas praktischem Griechisch einzuleiten? Als Kleftes (Räuber) bezeichnete man Rebellen im Freiheitskampf der Hellenen gegen die osmanische Herrschaft. Das Essen war knapp, die Kleften taten es den Bären gleich und raubten das Schaf.

Auch wenn Sie nicht die Gunst der Filoxenia (Gastfreundschaft) genießen dürfen, ist ein Ausflug in den kretischen Garten Eden ein einmaliges Erlebnis.  Der Weg ist das Ziel. Vorbei an kleinen Wasserfällen, Walnuß-und Kirschbäumen ebnen wir unseren Weg ins Paradies. Noch ein kurzes Stoßgebet in der Kirche Panagia Galaktoktismeni, schließlich soll Gott zu denjenigen kommen, die zu ihm kommen. Lasst mich eine kleine Anekdote einbringen: Jedem Frappé Liebhaber, der das griechische Nationalgetränk mit Milch bevorzugt, ist das Wort „Gala“ geläufig.  Sollen beim Bau des Prager Wahrzeichens, der Karlsbrücke, Eier in den Zement gemischt worden sein, will es die Legende, dass bei der Errichtung der „Milchkirche“ nicht Wasser, sondern Schafsmilch für die richtige Mörtelmischung gesorgt hat. Mit Beistand von oben setzen wir unsere Wanderung durch den größten Pinienwald Kretas fort. Bevor dieses fabelhafte Stück Natur, welches die Einheimischen als Geschenk Gottes bezeichnen, zum Natura 2000 Schutzgebiet ernannt wurde, bezog der legendäre Musiker und Instrumentenbauer Antonis Stefanakis sein Holz aus der Gegend rund um Kato Symi. Es sind keine melodischen Lyra oder Bouzouki Klänge, aber das unverkennbare Zirpen der Zikaden das uns bezirzt. Der charakteristische Sound Griechenlands wird plötzlich vom Summen der Bienen übertönt. An liebevoll bepinselten Bienenstöcken bittet Maja zum Tanz. Traut Euch nur ran, Streichelzoo mal anders. Dank blühender Landschaften soweit die Facettenaugen reichen, ist es möglich mit den fleißigen Helfern auf Tuchfühlung zu gehen. Anders als hierzulande sind die Immen alles andere als aggressiv, im kretischen Naschgarten gibt’s schließlich Nektar im Überfluss. Bedenkt man, dass die Bestäuber für ein Glas Honig mehrere Tausend Kilometer durch die Luft schwirren, schmunzeln wir über die paar Kilometer die noch vor uns liegen. Bei der Kapelle am Rande des Plateaus kraxeln wir noch ein paar Meter die Berge hinauf. Unsere Mühen werden belohnt, nur eine winzige Schäfchenwolke am Himmel und der untergehende Planet verabschiedet sich in allen erdenklichen Orange- und Rottönen. Viel schöner könnte es ein Claude Monet nicht aufs Canvas zaubern. In diesem Sinne – bee happy!